Festakt zum 20-jährigen Bestehen der Notfallpraxen im Landkreis Esslingen

Die Initiatoren Marc Lippe Dr. Wolfgang Miller und Dr. Robert Rudolph.
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha beim Video-Grußwort

Der hartnäckige Husten raubt den Schlaf, an eine erholsame Nachtruhe ist nicht zu denken. Auch eine Autofahrt ist ausgeschlossen. Und zumindest gefühlt verschlimmert sich der Gesundheitszustand weiter. Aber was tun, wenn die Hausarztpraxis bereits geschlossen hat? Für diesen Fall gibt es den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD). Nach einem Anruf unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116 117 kommt ein Arzt zu Hause vorbei. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war vor 20 Jahren eine Innovation – die im Landkreis Esslingen und mit Unterstützung der Malteser ihren Anfang nahm. Dies wurde nun mit einem Festakt im katholischen Gemeindehaus St. Johannes in Nürtingen gefeiert.

Ein Blick zurück: Noch vor 20 Jahren war jeder niedergelassene Arzt im Rahmen des Notdienstes für „seine Patienten“ eigenverantwortlich. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nur an den Wochenenden und Feiertagen konnten sich die Ärzte mit nahegelegenen Kollegen abstimmen, um einen lokalen Notdienst zu stellen. Was für die Erkrankten bedeutete, stets neue Nummern und Adressen zu recherchieren, um den diensthabenden Arzt zu finden. Ein Zustand, der weder den Patienten noch dem Privatleben der Ärzte zuträglich war, weshalb die Ärzteschaft im Altkreis Nürtingen vor zwei Jahrzehnten die Idee der „Notfallpraxis“ aufgriff, die damals bereits in Bietigheim-Bissingen an den Start gegangen war. Die Idee: Eine Notfallpraxis sollte außerhalb der gewohnten Öffnungszeiten der Arztpraxen als zentraler Anlaufpunkt für die Patienten geschaffen werden, auch der Fahrdienst zu Patienten, die nicht mobil waren, sollte hierrüber organisiert werden. In den Maltesern fand die Ärzteschaft einen zuverlässigen Partner, der das Projekt von vorneherein unterstützte und mit Weitblick wesentlich zu dessen Realisierung beitrug. „Wir Malteser haben Ärzte und Praxispersonal eingestellt, die Dienstpläne für die Notfallpraxis erstellt und auch den Fahrdienst samt Fahrern und Arzt organisiert und gestellt“, erklärt hierzu Marc Lippe, der Bezirksgeschäftsführer der Malteser Neckar-Alb.

„Die Idee war, die Ärzteschaft zu entlasten, den Notdienst besser zu organisieren und diesen zuverlässig anzubieten“, erinnerten Lippe sowie die Mediziner Dr. Wolfgang Miller und Dr. Robert Rudolph in einem kleinen Rückblick. „Das Ziel war auch, die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten. Denn schon damals gingen immer mehr Patienten, die eigentlich zum Hausarzt gehört hätten, in die Krankenhäuser.“ Die Malteser machten passende Räumlichkeiten ausfindig, im Mai 2003 war die Nürtinger Notfallpraxis mit zwei Behandlungsräumen, einen EKG-Raum, einem chirurgischen Zimmer und einem Labor in der Heiligkreuzstraße geboren. Auch Übernachtungsmöglichkeiten für den behandelnden Arzt, das Praxispersonal und den Fahrdienst war vorhanden. Gleichzeitig wurde die damals geltende Notdienstnummer zentral in die Notfallpraxis geschaltet. Interessierte Ärzte bewarben sich bei den Maltesern für die Dienste in der Notfallpraxis – und entlasteten somit auch ihre Kollegen, die mit den Notdiensten weniger gut zurechtkamen. Für die Hausbesuche stellten die Malteser zudem ein Einsatzfahrzeug samt Fahrer zur Verfügung – schon damals mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung, die von der Arbeit der Malteser im Rettungsdienst geprägt war: Notfallmedizinische Geräte wie ein EKG mit Defibrillator und ein Beatmungsgerät waren mit an Bord – und haben bis heute so manches Leben gerettet.

Der nächste Entwicklungsschritt vollzog sich im Juli 2003: Damals eröffneten die Malteser zusammen mit der Ärzteschaft und der Kirchheimer Klinik eine Notfallpraxis direkt in den Räumen des Krankenhauses. Gemeinsam wurden klare Richtlinien vereinbart, wonach die ankommenden Patienten im Klinikum nach dem Manchester-Triage-System entweder in die Notfallpraxis oder in die Notaufnahme weitergeführt wurden. „Das führte zu einer spürbaren Entlastung der Notaufnahme, was natürlich auch den Patienten in lebensbedrohlichen Situationen besonders zugutekam“, erklärte Lippe. Das Beispiel machte schnell Schule: 2004 folgte eine Notfallpraxis in der Filderklinik, im Januar 2012 zog dann die Nürtinger Notfallpraxis ebenfalls in Räumlichkeiten der Klinik Nürtingen. „An allen drei Standorten waren wir Malteser neben dem Praxisbetrieb auch mit dem Fahrdienst beauftragt“, betonte Lippe. In der Flüchtlingskrise 2015 betrieben die Malteser zudem mit der Ärzteschaft eine mobile Arztpraxis, damit wurden die Praxen der niedergelassenen Ärzte maximal entlastet. Der Betrieb dieser mobilen Praxis wurde bis zum 31. Dezember 2017 über zwei Jahre aufrechterhalten.

Der Landkreis Esslingen diente zudem – mit seiner langjährigen Erfahrung im zentralisierten Notdienst der Ärzte – als Blaupause für die Notfalldienstreform in Baden-Württemberg. Auch in Sachen Alarmierung: 2012 wurde die Disponierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch die Integrierte Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst übernommen, die erfahrenen Disponenten konnten dann medizinische Hilfeersuchen qualifiziert einteilen: Wo war ein Arztbesuch nötig, wo ein Rettungswagen? „Dieses effiziente Modell ist leider inzwischen durch zentrale Callcenter der Kassenärztlichen Vereinigung ersetzt worden“, bedauerte Lippe. Bei der 116 117 ist seither die Wartezeit enorm gestiegen, weshalb immer mehr Menschen direkt den Notruf wählen – dem Disponenten ist seither eine sinnvolle Einteilung deutlich erschwert. Im Zweifelsfall wird die Notfallrettung alarmiert, wo zuvor der Arztbesuch ausgereicht hätte.

Der Präsident der Landesärztekammer, Dr. Wolfgang Miller, verglich den ärztlichen Notdienst in seinem Grußwort mit dem Wetter – beides sei schwer planbar. Den Maltesern sei dieses Kunststück zusammen mit der Ärzteschaft gut gelungen. Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha, ließ sich digital zum Festakt zuschalten und sprach dem Personal in den Notfallpraxen und dem Fahrdienst ausdrücklich seinen Dank aus: „Sie halten den Notdienst an jedem Wochenende aufrecht und sorgen damit für schnelle Hilfe.“ Auch Nürtingens Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich unterstrich die Bedeutung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes für die Bevölkerung: „Man ist nie vor Notfällen gefeit – auch nicht an Abenden oder am Wochenende.“ Fridrich dankte daher allen Akteuren, die zum Gelingen des ärztlichen Notdienstes im Kreis beigetragen hätten.

Nach dem offiziellen Teil konnten sich die Gäste des Festaktes im festlichen Rahmen austauschen. Dazu gehörten auch Dr. Christine Stotz vom Gesundheitsamt des Landkreises Esslingen, Dr. Jörg Sagasser, Geschäftsführer der Medius-Kliniken, Dr med. Heiner Stäudle, Chefarzt der ZNA Medius Klinik Nürtingen, Dr. Stefan Thomas, Leitender Oberarzt am Klinikum Esslingen sowie Michael Wucherer (DRK), Dr. Andreas Baumann (THW), Ralf Bader (Stellvertretender Kreisbrandmeister) und die Notfalldienstbeauftragten der Kassenärtzlichen Vereinigung, Dr. Friedemann Tittor und Dr. Marc Meinigheim. Anwesend waren auch viele Mitstreiter der ersten Stunde. Zu ihnen gehörte auch Susanne Lippe, die den ÄBD als Dienstleiterin organisiert und dafür mit einem Blumenstrauß bedacht wurde. Für alle anwesenden Helferinnen in den Notfallpraxen gab es zudem als kleine Anerkennung eine Rose.


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